Bevor die klapprige afghanische Boing 767 von Dubai nach Kabul startet, ertönt eine Anrufung Allahs aus den Bordlautsprechern, rüde unterbrochen durch die Safety-Instructions. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott? Anschließend ertönt meditative Saiten- und Trommelmusik zu Bildern des Tourismusministeriums, wenn es denn eines gibt. Gleich zu Anfang werden die von den Taliban gesprengten, riesenhaften Buddhafiguren gezeigt. Immer wieder wird eine Afghanistanflagge durchs Bild geschwenkt, zwischen historischen Ruinen, rauher Landschaft und Menschen der afghanischen Zeitgeschichte.
Der Kontrast zu dem entsprechenden Werbe-Film bei Anflug auf Dubai könnte kaum größer sein: Dort das Versprechen von Ruhe und Ausgeglichenheit an die Schönen und Reichen durch ausgiebigen Konsum, hier ruhige Bilder von Dingen und Menschen, auf die ein Land stolz sein will. Die handwerkliche Musik das afghanischen Filmchens, eigentlich Bilderschau, ist allemal angenehmer als die animierende esokonsumwellness-Berieselung des Dubai-Vergleichsstückes.
Dann Unterhaltung: Eine Variante der versteckten Kamera, gedreht offensichtlich in einem islamischen Land, wenn auch wahrscheinlich nicht Afghanistan, denn die Frauen sind nicht verschleiert. Der Akteur stellt eine Kloschüssel in die Umkleidekabine eines Textilgeschäftes und lässt sich von den Kundinnen mit herabgelassener Hose erwischen.
Dann Unterhaltung: Eine Variante der versteckten Kamera, gedreht offensichtlich in einem islamischen Land, wenn auch wahrscheinlich nicht Afghanistan, denn die Frauen sind nicht verschleiert. Der Akteur stellt eine Kloschüssel in die Umkleidekabine eines Textilgeschäftes und lässt sich von den Kundinnen mit herabgelassener Hose erwischen.
Die Flugzeugtüre öffnet sich, und herein dringt kühle, frische Bergluft.
Zugegeben: Es ist Frühling und es hat gerade erst so ausgiebig geregnet wie schon sehr lange nicht mehr, die Luft ist rein gewaschen. Schon zwei Stunden später riecht man wieder Abgase und Staub, aber da habe ich im Manhattan der 80er Jahre Schlimmeres erlebt. Im Sommer allerdings soll es wegen der Hitze doch ziemlich stinken.
Nach einer unspektakulären Einreiseprozedur treten wir vor das neue Flughafengebäude. Da schickt die untergehende Sonne schräg durch die schneebedeckten Gipfel des Hindukusch Lichtfächer in den Talkessel. Es ist unglaublich ruhig. So richtig friedlich. Wo ist denn nun die 3 oder 4 Millionen Stadt mit ihren Kriegsruinen, ihrem brodelnden Verkehr, ihren Flüchtlingsslums, ihrem Elend, ihren Selbstmordattentaten und ihrer drohenden Kriegsgefahr?
Dann von der Umgehungsstraße ein Stück in die Stadt, wo der Verkehr dichter wird und man den Fahrradfahrern zwischen den Autos gar nicht zuschauen mag. Hotel, frisch machen, Abholung zum Abendessen.
Beim Abendessen mit Mitarbeitern einer deutschen Hilfsorganisation die Bestätigung. Kabul ist so ruhig wie lange nicht mehr. Sonst kaum eine Woche ohne Selbstmordanschlag, jetzt schon drei oder vier Wochen nichts. Positiv gesehen wird das nicht. Man fürchtet, dass diese Ruhe bedeutet, dass ein größerer Anschlag in Planung ist. Die Ruhe vor dem Sturm, die Lunte am Pulverfass?
Auch sonst sind die Nachrichten von den Menschen vor Ort nicht eben beruhigend. Außerhalb Kabuls sei die Ordnung im Prinzip zusammengebrochen. Nicht mehr nur im Süden und Südosten, sondern im ganzen Land werde mehr oder weniger gekämpft. Truppen und Banden unterschiedlichster Herkunft und Interessenlagen zögen durch insbesondere auch die Gegend, die wir morgen besuchen wollen. Na dann guten Appetit.
Angeblich ist das die Standardempfehlung nicht nur für Afghanistan. Oder doch Jägerlatein? Auch Mitglieder von Hilfsorganisationen lassen vielleicht die Situation manchmal gefährlicher und menschenunwürdiger erscheinen als sie ist. Das wertet auf.
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