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Afghanistan-Blog #5: Rosen aus Bin-Ladens Camp

Mohammad Wadam

Als eine afghanische Flüchtlingsfamilie nach dem Krieg gegen die Russen auf das eigene Land zurückkehren will findet sie es von Bin Ladens islamistischen Kämpfern besetzt. Ein Taliban-Gouverneur übt Gerechtigkeit. Heute baut die Familie mit deutscher Hilfe Rosen an.

Hier lagerten Waffen der Al Qaida
Wohl 1000 Jahre schon bewirtschaftet die Sippe der Wadam vom Volk der Paschtunen das kleine Tal Inseray in der afghanischen Provinz Nangarhar, unweit der Al Qaida-Festung der Tora Bora. In der Umgegend genießt die Sippe hohes Ansehen, denn sie leitet ihre Herkunft direkt von der Familie des Propheten Mohammed ab. Der Urgroßvater galt als besonders heilig, an seinem Grab binden Frauen Tücher an die Bäume, wenn sie sich Kinder wünschen oder einen hübschen Ehemann.

Doch auch die Wadam mussten Anfang der 90er Jahre ins nahegelegene Pakistan fliehen, ebenso wie 5 Millionen andere Afghanen in der größten Flüchtlingsbewegung seit dem zweiten Weltkrieg. Zwölf Jahre schlugen die Männer sich und ihre Familien als Lastwagenfahrer und Tagelöhner durch. Erst als die Taliban im Land eine trügerische Ruhe schafften, kehrten die Wadam in ihr Tal im Distrikt Achin zurück und fanden es besetzt. Die „Araber“ Bin Ladens hatten das herrenlose Land für 10 Jahre vom Staat gepachtet, und nutzten es als Trainingslager und Hauptquartier. Der Taliban-Gouverneur Maulawi Kabir entschied 1999 den Fall durch Volksbefragung. Die Bewohner der umliegenden Dörfer stimmten mehrheitlich dafür, dass die Wadam ihr Land wieder in Besitz nehmen und die Kämpfer in ein anderes, unbewohntes Tal abziehen sollten.

Ajar Wadam, der älteste der Brüder
„Das Land war verwahrlost“, berichtet Mohammad, der zweitälteste der Brüder Wadam seinen deutschen Gästen im Versammlungshaus, während sich zwei Kinder an ihn schmiegen. Zwanzig Männer aus dem Dorf und der Nachbarschaft hören kritisch zu, wie er die Fragen der Fremden beantwortet. „Die Felder lagen brach und waren verunkrautet, viele Bäume waren durch Schießübungen und Handgranaten zerstört. Beim Abzug haben sie aus Ärger noch vieles beschädigt und alles Wertvolle mitgenommen. Es hat uns fast das Herz gebrochen, unsere Heimat so geschunden zu sehen. Aber Kämpfer sind eben keine Bauern.“ Von diesen Schäden ist heute nichts mehr zu sehen. Einzig die Höhlen, in denen die Kämpfer Waffen und Munition lagerten, zeugen von der Zweckentfremdung des fruchtbaren Tales. In den Höhlen lagern die Bauern heute Futter, die Zugänge dienen als Toilette und sind ein Minenfeld der „exkrementellen Art. Doch liegt über dem Tal ein angenehmer Duft, denn die Wadam haben 2004 damit begonnen, Rosen anzubauen. Rund die Hälfte der neun Hektar Ackerland bebauen sie mit Weizen, die andere Hälfte mit Rosen. Etwa genauso groß war die Fläche, die sie bis 2004 mit Schlafmohn bepflanzt haben. Noch 2007 wurde in der Provinz Achin auf bis zu 70% der Ackerflächen Schlafmohn angebaut und Rohopium daraus gewonnen.

„Wir wissen, dass Opium schlecht ist und auch der Islam verbietet ja den Genuss von Drogen“, gesteht Mohammad Wadam ein. „Aber wenn die Familie hungert, dann haben wir keine Wahl.“ Seine Sippe gehört immerhin zu den ersten, die eine andere Wahl traf als sich eine Alternative bot. Die private Entwicklungshilfeorganisation „Deutsche Welthungerhilfe“, schon seit den 90er Jahren in Afghanistan tätig, schlug den Bauern vor, anstelle von Schlafmohn Rosen zu pflanzen. Sie errichtete außerdem zwei Destillen, mit denen Rosenöl und Rosenwasser hergestellt werden. Das Rosenöl wird nach Deutschland exportiert und dort vom schwäbischen Arzneimittelhersteller Wala GmbH in Naturkosmetik als Duft- und Wirkstoff eingesetzt. Rund 5.000 EUR bezahlt die Wala der Welthungerhilfe für 1 Liter Rosenöl. Rund 60% davon kommen direkt bei den Bauern in Afghanistan an. Dieser Prozentsatz ist hoch, denn die Bauern liefern nur die Rohware, die Verarbeitung und Vermarktung erledigt die Welthungerhilfe. Sie sorgt auch für die ordnungsgemäße Zertifizierung als „biologisch angebaut“, denn Kunstdünger und Pestizide kommen nicht an die Rosen. Konkret sind es 64 Cent pro Kilo Rosenblüten, die die Bauern erhalten. Von einem Rosenstrauch werden 2-3 kg Rosenblüten geerntet. Aus einer Füllung von 40 kg Blüten gewinnt die Destille 8-10 Milliliter Rosenöl.

Die Rosen auf den Feldern der Wadam sind gut gepflegt, also kräftig beschnitten, und werden während der Blütezeit im April regelmäßig morgens bis 10 Uhr geerntet. In manchen anderen Dörfern sind die Stöcke schon im zweiten oder dritten Jahr so verwildert, dass man kaum hindurch gehen kann. Was dann überhaupt noch geerntet werden kann, wird teilweise erst gepflückt, wenn die Sonne das Öl schon aus den Blüten gesaugt hat. An der Sammelstelle hat die Welthungerhilfe deswegen ein großes Transparent aufgehängt: Bauern, pflückt die Rosenblüten früh, sonst blast ihr euer Geld in den Wind!

„Dieses Jahr werden wir schon dreimal mehr ernten als letztes Jahr – Inschallah, wenn Gott will“, freut sich Mohammad Wadam, die Prognose liegt bei 2,5 Tonnen für die ganze Sippe. Der Vorbehalt gilt dieses Jahr besonders, denn das Wetter spielt verrückt. Nach einem harten Winter ließ ein scharfer Frühlingswind den Schnee gleich verdunsten, der sonst mit Schmelzwasser die Flüsse gespeist hätte und ein guter Teil der Getreideernte ist vertrocknet. Afghanistan stand am Rande einer Dürre. Dafür regnet es jetzt zur Rosenernte ganz unerwartet. Was vielleicht einen Teil des Getreides noch retten kann, ist für die Rosenernte schädlich: Der Regen schlägt die Blüten von den Rosenstöcken und erhöht die Gefahr von Fäulnis und Pilzkrankheiten.

Um über 75% stieg der Preis für Weizen in den letzten zwölf Monaten. Neben dem Wetter ist daran auch der Weltmarkt schuld, auf dem Nahrungspflanzen neuerdings mit Energiepflanzen konkurrieren müssen. Laut dem First Deputy Minister Sharif Sharif fehlen Afghanistan 6 Millionen Tonnen Weizen als Soforthilfe, um eine Hungersnot abzuwenden, die rund 5,5 Millionen Menschen betreffen würde. Viele Bauern haben nicht genug Weizen für den Eigenbedarf. In Jalalabad gibt es die ersten Demonstrationen gegen die hohen Lebensmittelpreise.

Eine Staude wie die Rose braucht vier Jahre Anlaufzeit, bis sie voll trägt und das auch nur, wenn die Bauern sich soviel Mühe geben wie die Wadam. Die meisten der 266 Rosenbauern sind zufrieden, aber einige, die verschuldet sind oder in dringender Geldnot, denken wegen der hohen Lebensmittelpreise daran, wieder zum Mohnanbau zurück zu kehren. Doch selbst Mohn ist als Einkommensquelle unzuverlässig. Dieses Jahr sind die Opiumpreise im Keller, denn nach der Rekordernte von 2007 sind die Lager der Großhändler voll.

Frauen im Männer-Versammlungshaus? Undenkbar. Kleine Mädchen jederzeit.
Mohammad Wadam jedenfalls will bei den Rosen bleiben. „Der Weizenpreis steigt und fällt, wir haben genug für den eigenen Bedarf, also kümmert uns das nicht. Aber die Rosen sind ein Segen. Wir haben weniger Arbeit damit als mit dem Mohn und brauchen weniger Wasser. Wenn die Welthungerhilfe weiter stabile Preise bezahlt, werden wir dabei bleiben. Und vielleicht richten wir auch noch eine eigene Destille ein.“ Dass die Preise noch lange stabil bleiben ist hinreichend sicher, auch wenn die Welthungerhilfe am oberen Ende der Weltmarktpreise bezahlt. Speziell biologisch angebautes Rosenöl ist Mangelware. Nicht nur die Wala, auch andere Kosmetikunternehmen suchen weltweit nach diesem Rohstoff.

Rosen statt Opium – das Projekt


Rosen...
Vorbild ist das gleichnamige Projekt in der iranischen Provinz Kerman, in der der Opiumanbau vollständig und nachhaltig durch Rosenanbau verdrängt werden konnte. Dort hat allerdings eine starke religiöse Regierung über den Opiumanbau die Todesstrafe verhängt während die afghanische Regierung eher schwach ist. Von 2004 bis 2007 investierte die Deutsche Welthungerhilfe 133.000 EUR in das Projekt in Afghanistan, die Europäische Union 1,2 Mio. Euro. Derzeit werden 42 Hektar bei 266 Bauern in den Distrikten Dar-I-Nur, Achin und Nazian in der Provinz Nangahar biologisch mit Rosen bebaut, 20 Hektar davon sind bereits durch die Schweizer Zertifizierungsorganisation IMO als biologisch nach EG Bio Verordnung
...statt Opium
2092/91 anerkannt, die anderen folgen nach zweijähriger Umstellungsphase. Das Projekt hat Pilotcharakter und lieferte 2007 fünf Liter Rosenöl, für 2008 werden mindestens zehn Liter erwartet (Weltproduktion 3.000 Liter). Weitere Produkte sind Rosenwasser und getrocknete Rosenblüten für den einheimischen Markt. Die Destillen betreibt bisher die Welthungerhilfe und sucht im Rahmen einer Exit-Strategie Einheimische, die die Destillen als selbständige Unternehmer übernehmen. Nicht zuletzt wegen der hohen behördlichen Hürden wird das aber erst 2009 realisiert werden können.

www.welthungerhilfe.de

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